Not Disneyland

 

„Es geht um Ästhetik, nicht um Kulissen“, sagt die Maklerin, die 45 neugebaute klassizistische Villen im Angebot hat. „Ceci n’est pas Disneyland!“

 

Es heisst, der CEO der Walt Disney Company habe dem französischen Premierminister zum Vertragsabschluss ein Bild geschenkt: Die Hexe, die Schneewittchen den vergifteten Apfel reicht. Und tatsächlich kann man die Geschichte des Val d’Europe wie ein Märchen lesen. Seit 25 Jahren baut Disney östlich von Paris an einer Stadt. Auf den 20 Quadratkilometern Ackerland, die der französische Staat dem Unterhaltungskonzern 1987 zugeteilt hat, ist seither nicht nur Disneyland samt Dornröschenschloss entstanden. Es haben sich auch 2000 neue Unternehmen angesiedelt, 25 000 Arbeitsplätze wurden geschaffen, und die Zahl der Einwohner hat sich mehr als versechsfacht. Doch kein moderner Wohnblock trübt das Bild. Die 30 000 Zuzüger leben in gerade erst erbauten historischen Bauerndörfern oder Landgütern, in prächtigen Bürgervillen oder klassizistischen Stadthäusern, in Schlössern oder Taubentürmen. Sie schlendern vorbei an neuen mittelalterlichen Fassaden, trinken ihren Café au lait in Jugendstil-Brasserien und arbeiten in Gebäuden, die Baron Haussmann im 19. Jahrhundert entworfen haben könne, wären sie nicht um einen Drittel zu niedrig. Man hat im Val d’Europe die Zukunft erschaffen, indem man die Vergangenheit idealisierte: Alles ist fast wie früher, nur besser, komfortabler, klimatisiert und mit Alarmanlagen ausgestattet.

Barbara Klingbacher für NZZ Folio